Badetag an der Ostsee

Auswärtsspiel an der Kieler Förder offenbart Schwächen ungeahnten Ausmaßes

14. Januar 2025

Strahlkraft des Vereins, Zahl der Mitglieder, Anzahl der Fan-Clubs, Etat der Mannschaft, Fanbase, Stadiongröße – zwischen Holstein Kiel und Borussia Dortmund liegen Welten. Derzeit aber nicht im Kerngeschäft. Wenn es zum Vergleich auf dem Rasen kommt.

Das Team von der Förde zog den Schwarzgelben zum Ausklang der Hinserie gehörig das Fell über die Ohren. Mit 2:4 ging die Borussia an der Ostsee baden. Dabei hinterließ der Auftritt der Sahin-Truppe besonders in den ersten 45 Minuten einen desaströsen Eindruck. Tempo, Spielwitz, Spielfreude, Sicherheit am Ball, eingespielt wirkende Ballpassagen, Rückwärtsbewegung, Galligkeit im Zweikampf, Torgefahr, taktisches Verhalten, Raumdeutung, Raumdeckung – die Liste der Unzulänglichkeiten ist so lang wie die Fahrt der Frei Schwimmer Richtung Holstein-Stadion gewesen ist.

Rund 450 Kilometer wurden per PKW und Bus ab Dienstagmorgen absolviert, um pünktlich zum Anstoß um 18.30 Uhr vor Ort zu sein. Es gibt Auswärtsfahrten, die braucht in Sachen Ansetzung kein Mensch. Dürfte sich die Mannschaft des BVB auch gedacht haben, ob des blutleeren Auftritts im mit 15.000 Zuschauern ausgefüllten Ministadion am Kieler Westring. Entsprechend immer verhaltener reagierte der schwarzgelbe Block. Die Stimmung sank trotz Pyroshow mit jeder Spielminute, die Unterstützung knickte ab. Kommt kein Feuer vom Platz, ist es schwer, den Funken von den Rängen auf das Feld zu tragen. Zudem trägt der bauliche Zustand der Gästetribüne dazu bei, dass Gesänge verpuffen. Selbst nach dem Anschlusstreffer zum 2:3 durch Gittens fehlte auch dem Team der Glaube, die Niederlage abwenden zu können. Zu pomadig, zu behäbig, zu schwach gerierte sich der Auftritt an diesem kalten Dienstagabend. Wie so oft in dieser Spielzeit. Wie so oft in den Auswärtspartien. 

Desillusioniert, geschockt, betroffen, verärgert und enttäuscht ging es nach den fast 100 Minuten zurück zu den Fahrzeugen, um anschließend auf der sechs bis sieben Stunden dauernden Rücktour ausgiebig die Situation zu analysieren. Im letzten Mai im Endspiel in der Champions League, sieben Monate später eine mit Mängeln durchgesetzte Mannschaft. Der Fall kann nicht tiefer sein.

Was jetzt? Die Lage muss knallhart beleuchtet werden. Hier ein paar Ansätze:

  • Die Abgänge von Maatsen, Hummels, Reus und Sancho wurden nicht ansatzweise kompensiert.
  • Schon landen wir bei der Kaderplanung. Positionen links, rechts hinten und auf der 6 wurden vernachlässigt, der Kader insgesamt viel zu dünn aufgestellt.
  • Dem Ansatz, Nachwuchsspielern mehr Raum zu geben, kann man folgen. Dann muss man die Manes dieser Welt aber auch kicken lassen. Einen grippegebeutelten Schlotterbeck in Kiel aufs Feld zu stellen und zum Beispiel einen gesunden Lührs auf die Bank, macht so wenig Sinn. Der BVB war immer dann stark, wenn der Konkurrenzdruck hoch war. Und immer schwach, wenn sich die Elf von alleine aufstellte.
  • Dem Team fehlt es an Leadern. Figuren wie Brandt, Can, Kobel, Sabitzer, die vom Alter her nachrücken müssten, fallen komplett aus.
  • Die Neuzugänge funktionieren nicht wirklich. Spielweisen, die sie bei den abgebenden Vereinen stark gemacht haben, lassen sich nicht 1:1 übertragen. Die notwendige Anpassung gelingt nicht.
  • Spieler wie Brandt, Sabitzer, Giurassey fahnden nach ihrer Form, Nmecha sucht nach Konstanz, Can seine Rolle, Ryerson und Bensebaini auf den Außen hinten nach spieltaktischen Verbesserungen, die Flügelspieler verweigern sich der Erkenntnis, dass zum modernen Fußball auch das konzentrierte Arbeiten nach hinten gehört, Couto und Beier schulden den Beweis, sich als Verstärkungen zu erweisen.
  • Zack, ist man bei der Trainerfrage. Wie haben wir uns mit Nuri danach gesehnt, auf dieser Position die nächsten Jahre Ruhe einkehren lassen zu können. Auf der Bank keine Konstanz zu haben, ist ein deutliches Signal, dadurch sportlich aus der Spitze zu rutschen. Die Coaches in den letzten zehn Jahren: Tuchel (15-17), Bosz (17), Stöger (17-18), Favre (18-20), Terzic´ (20-21), Rose (21-22), Terzic´(22-24), Sahin (24-?). Folge: Der BVB hat darunter seine Spielidee verloren. Für welchen Fußball wollen wir stehen? Nach welcher Philosophie den Kader zusammenstellen? Derzeit scheint das Team/der Verein in einer Sinnkrise zu stecken, ohne den Ausgang zu finden.
  • Vorstand Ricken teilt nach dem Spiel mit, dass der Trainer nicht zur Debatte steht. In Sachen Vorbereitung auf Kiel und emotionaler Ansprache hätten Sahin und der Staff alles gegeben. Mag sein. Wenn danach aber solch blutleerer Auftritt folgt, dann ist das besorgniserregend.
  • Die Statik unseres Spiels stimmt nicht, ebenso die aufgrund von Spielverläufen notwendige Reaktion. Ballbesitz ist gut, wenn man mit den Ball etwas anfangen, Ketten überspielen, Räume schaffen, Tempo verschärfen kann. Wir schieben an den 16er auf eine Reihe, kicken den Ball von links nach rechts und zurück. Der Gegner zieht sich zurück und wartet auf individuelle Fehler von uns. Und diese kommen in dieser Saison in jedem Kick so sicher wie das Amen in der Kirche.

Jetzt bleiben ein paar Tage, um bis zum Wochenendstart die Wunden zu lecken. In Frankfurt geht es wieder auswärts ran. Der Glaube an eine Wende jedoch schmilzt derzeit wie der Schnee in der Sonne. Zu vielen Sonntagsreden und Versprechungen sind Enttäuschungen gefolgt. Der BVB ist gerade dabei, selbst die Treuesten und den Treuesten den Spaß am Fußball zu vermiesen.

Und dennoch machen auch wir Frei Schwimmer uns auf den Weg, nach dem Badetag an der Ostsee dafür zu sorgen, am Freitag nicht am Main unter zu gehen. Und den Spielern ins Stammbuch zu schreiben, dass sich Größe nicht nach dem Gehaltsscheck misst. Sondern ein Resultat ist aus Arbeit, Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz und Galligkeit, es anderen zeigen zu wollen. Und zack, sind wir wieder bei der ungeliebten Frage nach Mentalität und intrensischer Motivation , die der Strahlkraft des Vereins im Moment alles andere als gerecht wird.